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Showdown in StrassburgErfolg für Klima­seniorinnen: Europäischer Gerichtshof für Menschen­rechte rügt die Schweiz

Wegweisende Klimaklage: Die Co-Präsidentinnen der Klimaseniorinnen, Rosmarie Wydler-Wälti (l.) und Anne Mahrer im Jahr 2023.

Grosser Erfolg für die über 2000 Klimaseniorinnen: Die Richterinnen und Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte rügen die Schweiz dafür, die Seniorinnen zu wenig vor dem Klimawandel zu schützen. Konkret hat der Gerichtshof in seinem Urteil eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt. Damit hat die Schweiz das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.

Zusätzlich rügt das Gericht die Schweiz dafür, den Klimaseniorinnen den Zugang zum Gericht verwehrt zu haben. Indem mehrere Instanzen die Klage abgewiesen und nicht auf den Inhalt eingingen.

«Das beste Urteil, das wir erwarten konnten»

«Ich kriege kaum mehr Luft, mit so einem guten Ergebnis hätten wir nicht gerechnet», sagt Rosmarie Wydler-Wälti nach der Urteilsverkündung. Die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen ist den Tränen nahe. Besonders berührt sei sie davon, dass der Gerichtshof die Seniorinnen als potenzielle Opfer des Klimawandels anerkannt habe. Die Schweizer Gerichte nämlich befanden, dass die Klimaseniorinnen zu wenig von den Folgen der globalen Erwärmung betroffen seien.

Der Gerichtshof begründet, dass das Recht einen «wirksamen Schutz durch die staatlichen Behörden vor den schwerwiegenden negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität» beinhalte. Die Schweiz sei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.

Als nicht verletzt sieht er hingegen Artikel 2 an, also das Recht auf Leben. Auch dieses sahen die Klimaseniorinnen als tangiert an.

Die leitende Anwältin Cordelia Bähr spricht nach der Urteilsverkündung sichtlich erleichtert vor Dutzenden Medien.

Trotzdem spricht auch die leitende Anwältin der Klimaseniorinnen, Cordelia Bähr, vom «besten Urteil, das wir erwarten konnten». Sie hätten diverse Szenarien durchgespielt. «Das heute gefällte Urteil entspricht meiner optimistischsten Schätzung.»

Klage könnte noch mal zurück an die Schweiz gehen

Der Gerichtshof sieht neben dem Recht auf Privat- und Familienleben auch das Menschenrecht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 der EMRK) verletzt. Weil die Klimaseniorinnen bei allen Instanzen in der Schweiz abgeblitzt waren.

Von der Umweltschutzorganisation Greenpeace initiiert, hatte der damals neugegründete Verein Klimaseniorinnen 2016 die erste Klage beim Bund eingereicht. Doch dort wurde die Klage formell abgelehnt, genauso wie danach beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesgericht. 2020 gelangten die Klimaseniorinnen an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Indem dieses nun das Recht auf ein faires Verfahren als verletzt betrachtet, könnten die Klimaseniorinnen mit ihrem Begehren nochmals an das Bundesgericht gelangen. Tun sie das, würde der Fall zurück ans Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation gehen. Dieses müsste sich dann erstmals inhaltlich mit der Klage befassen.

«Das müssen wir jetzt erst einmal besprechen und das Urteil in Ruhe analysieren», sagt Bähr dazu. Es ist also offen, ob sich die Schweizer Gerichte nochmals mit der Klage befassen müssen.

Das Bundesamt für Justiz spricht von einem «wichtigen und interessanten Urteil». Sprecherin Ingrid Ryser, die selber an der Urteilsverkündung teilnahm, sagt: «Die Schweiz nimmt das ernst. Wir werden das umfangreiche Urteil nun analysieren müssen, um zu schauen, welche Massnahmen die Schweiz ergreifen muss.»

Zwei weitere Klimaklagen wurden abgelehnt

Der Gerichtshof entschied am Dienstag über insgesamt drei Klimaklagen. In allen ging es um die Verantwortung von Staaten angesichts der globalen Erwärmung.

  • Die zweite Klage reichte der Ex-Bürgermeister der nordfranzösischen Küstenstadt Grande-Synthe ein. Der heutige EU-Parlamentarier warf der Regierung in Paris vor, sie tue zu wenig gegen den Klimawandel, um eine Überflutung seiner Stadt zu verhindern. Das Gericht wies die Klage zurück.

  • Die dritte Klage wurde von einer Gruppe junger Portugiesen eingereicht und richtet sich gegen 32 Staaten – darunter auch die Schweiz. Der Gerichtshof hat die Klage für unzulässig erklärt. Unter anderem, weil die Jugendlichen sich direkt an Strassburg gewandt hatten, ohne vor ein Gericht in Portugal zu ziehen.

Es ist das erste Mal überhaupt, das ein internationales Gericht über Klimaklagen urteilt.