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Kunstmuseum Thun«Ich möchte die Angst zur Stärke machen»

Giacomo Santiago Rogado ist der erste Künstler, der das Kunstmuseum und das Thun-Panorama zugleich bespielt.

Im Raum steht ein grosser Kubus aus Leinwänden. Von aussen sind die farbstarken Formen auf den Tüchern nur matt wahrzunehmen, durchzogen von den Holzleisten der riesigen Spannrahmen. Betreten die Besucherinnen und Besucher den Kubus durch den dunklen, schmalen Gang, werden sie selber buchstäblich Teil des Bildraums. Drinnen zeigt sich die scheinbare Innenseite des Kubus als Oberfläche, von der aus sich wirkmächtige Farbformen in den Raum hineinzudehnen scheinen. 

Das ist jedoch nur erlebbar für jene, welche ihren Standpunkt wortwörtlich verändern mögen, sich in den Kubus hineinwagen – und in Kauf nehmen, dass sie von innen das Aussen nur noch gefiltert und gedämpft wahrnehmen.

Im Innern des Leinwand-Kubus erstrahlt ein farbenfroher Mikrokosmos.

«Growing Together Through Emotions over Time» ist eines der Werke des Schweizer Künstlers Giacomo Santiago Rogado, der als erster Künstler überhaupt das Kunstmuseum Thun und das Thun-Panorama gleichzeitig bespielt. Darin zeigt sich Rogados Auseinandersetzung mit dem, was wir sehen und wie wir sehen, besonders eindrücklich. Die Frage, wie unser Blick auf die Welt unsere Wahrnehmung prägt, zieht sich wie ein roter Faden durch die beiden Ausstellungen.

Giacomo Santiago Rogado, der Medientext zur Ausstellung attestiert Ihnen eine Zuwendung «zu dem, was bleibt, wenn man Überflüssiges weglässt». Was bleibt?

Die Idee ist eher, ob das Wesentliche wirklich das ist, was wir wahrnehmen. Ich glaube ganz stark, dass wir die Sicht auf die Welt und auf unser Gegenüber verändern können, wenn wir unseren Blick schärfen. Es interessiert mich nicht, nur zu unterhalten oder eine kurzfristige Erfahrung auszulösen.

Dennoch sind Ihre Bilder zwar komplex, aber zugänglich. Wie wichtig ist Ihnen eine ansprechende Ästhetik?

Die Zugänglichkeit der Arbeit ist mir sehr wichtig. Ich möchte nicht nur ein spezifisches Publikum ansprechen, sondern finde, dass die Arbeit alle, ob kunstinteressiert oder nicht, in unterschiedlichen Formen bewegen kann. Ich suche immer diesen magischen Moment im Bild.

Die aktuellen Werke des Künstlers behandeln das Thema Horizonte.

Den magischen Moment?

Wo man etwas sieht und erkennt und doch nicht erkennt, versteht und doch nicht versteht. Diese Gegensätzlichkeit. Sowohl beim Erschaffen als auch beim Betrachten.

Wie meinen Sie das: beim Erschaffen?

Meine Arbeit ist ein sehr intuitiver Prozess. Ein Bild verstehe ich stark als Erscheinung. Was da erscheint, zu beobachten, zu verstehen und damit zu arbeiten, das ist für mich die Magie am Bild.

Sie arbeiten rein intuitiv?

Ja, aber darunter verstehe ich nicht, dass alles einfach aus dem Bauch herauskommt. Vieles ist auch Kopfarbeit und technische Arbeit, Planung, Forschung. Es ist eine prozessorientierte Arbeit.

Das steht nicht im Widerspruch zur Intuition?

Malen ist für mich klar ein Denk- und Lernprozess. Ich versuche dabei, nicht an irgendwelchen Ideen festzuhalten, sondern ganz offen zu sein und zu akzeptieren, was erscheint – in diesem Sinne arbeite ich intuitiv. Mir ist sehr wichtig, Ehrlichkeit und damit auch eine Verletzbarkeit offenzulegen.

Giacomo Santiago Rogado regt unter anderem mit einem begehbaren Bild zum Nachdenken an.

Sie sind der erste Künstler, der das Kunstmuseum und das Thun-Panorama gleichzeitig bespielt. Was bedeutet Ihnen dieses Projekt?

Für mich ist diese Ausstellung etwas ganz Besonderes, weil ich mich zum ersten Mal wage, einen Rückblick zu machen und frühere Werke mit aktuellen Werken zu verbinden oder sie einander gegenüberzustellen.

Sind Sie mit 45 Jahren nicht etwas jung für eine Retrospektive?

Die Idee einer Retrospektive macht einem tatsächlich ein bisschen Angst. Ich habe dann aber gemerkt, dass ich genau diese Angst zur Stärke dieser Ausstellung machen möchte. Sie soll nicht eine klassische Retrospektive sein, sondern zu einer Prospektive werden, also einem Blick nach vorne.

Und das an zwei besonderen Standorten.

Das Kunstmuseum und das Thun-Panorama bieten sehr spezielle Räume mit einer eigenen Geschichte, das kann man nicht übersehen oder wegdenken. Das mag eine Schwierigkeit sein, fordert einen gleichzeitig aber, anders zu denken. Es ist eine Ausstellung, welche ortsspezifisch entwickelt ist.

Was ist das Resultat?

Ich arbeite gerne mit Durchblicken und unterschiedlichen Raumerfahrungen. Hier habe ich mir das explizit zum Thema gemacht. Es ergibt sich ein Parcours durch unterschiedliche Räume, die aber miteinander verbunden sind. Es gibt immer wieder Einblicke und Durchblicke, man wird vom einen zum nächsten geleitet, und alles verfliesst miteinander und verbindet sich.

In der Ausstellung verfliessen die einzelnen Räume des Kunstmuseums zu einer kohärenten Ausstellung.

Was war die Herausforderung daran, gleich zwei Orte zu bespielen?

Die Herausforderung war, mit der Ausstellung eine Verbindung zu schaffen, welche über die Arbeit selber hinausgeht und sich über die beiden Häuser erstreckt.

Sie bilden das Zeitgeschehen nicht unmittelbar ab. Wie stark fliesst es dennoch in Ihre Arbeit?

Ich beschäftige mich ganz stark mit dem Weltgeschehen, und mich berührt sehr, was passiert; gerade in diesen Zeiten multipler Krisen. Davon ist meine Arbeit zwangsläufig beeinflusst. Letztlich ist die physische Erfahrung, die man mit meiner Arbeit machen kann, auch ein Bezug dazu – eine Form, wie man das Weltgeschehen vielleicht anders betrachten oder anders damit umgehen könnte.

Wie das?

Die Schärfung der Wahrnehmung, das genaue Betrachten sind Erfahrungswerte, die sich auf mögliche Antworten auf das Zeitgeschehen übertragen.

Was gehört hier noch zum Bild? Die Installation im Thun-Panorama lässt teilweise den Blick nach draussen – hier auf den Künstler selbst – offen.

Was wünschen Sie, dass die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung in Thun mitnehmen?

Ich glaube ganz stark an die Kraft der Kunst, der Malerei, der Bilder. Ich wünsche mir, dass die Besucher von der Arbeit berührt sind – in welcher Form auch immer. Dass Sie verwandelt herauskommen.

Das ist ein hoher Anspruch.

Ich hoffe fest, dass meine Bilder, die Ausstellung, einen ganz stark in den Moment, ins Jetzt holen und dass man sich bewusst wird, was passiert: nicht nur unmittelbar vor einem, sondern auch hinter einem und in dem, was verborgen bleibt. Dass die Ausstellung unseren Horizont erweitert, das wäre mein Wunsch.

Die Ausstellung «All That You See» im Kunstmuseum Thun ist bis 28. Juli zugänglich, die Installation «Ausser Sicht» im Thun-Panorama bleibt bis 1. Dezember bestehen. Im Zusammenhang mit der Doppelausstellung erscheint eine Publikation des Studios Amanda Haas.

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