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Suche nach berüchtigtem SchlepperEr schmuggelte Tausende Menschen durch Europa

Ein Aushang der belgischen Behörden: Barzan Majeed wurde 2022 zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Der BBC ist es gelungen, einen der meistgesuchten Menschenschmuggler Europas ausfindig zu machen. Der seit Jahren untergetauchte Barzan Majeed gilt als Kopf einer Bande, die einen Grossteil des Menschenschmuggels – in Booten und Lastwagen – über den Ärmelkanal kontrollierte. Mehr als 70 Migranten sind seit 2018 bei der Überfahrt mit dem Boot ums Leben gekommen. Im vergangenen Monat wurden fünf Menschen vor der französischen Küste getötet, darunter ein siebenjähriges Mädchen. Bis zu 7000 Franken kostet die Überfahrt, an der sich jährlich rund 30’000 Menschen versuchen.

Majeed wird per Haftbefehl in mehreren Ländern gesucht. Selbst gibt er an, nicht genau zu wissen, wie viele Leute er in all den Jahren über den Kanal geschmuggelt hat: «Vielleicht waren es 1000, vielleicht 10’000. Ich weiss es nicht, ich habe sie nicht gezählt.»

Ein überfülltes Boot mit Migranten versucht von Dunkirk aus den Ärmelkanal zu überqueren.

Majeed war 2006 als 20-Jähriger selbst auf dem Rücksitz eines Lastwagens nach England geschmuggelt worden. Obwohl ihm ein Jahr später die Aufenthaltsgenehmigung verweigert wurde, blieb er noch mehrere Jahre in Grossbritannien – einige davon im Gefängnis wegen Waffen- und Drogendelikten. Im Jahr 2015 wurde er in den Irak abgeschoben. Kurz danach soll Majeed ein Menschenschmuggelgeschäft von seinem älteren Bruder «geerbt» haben, weil dieser in Belgien ins Gefängnis musste.

Bei den europäischen Kriminalbehörden ist der irakische Kurde unter dem Namen Skorpion bekannt – nach seinem Whatsapp-Profilbild, das er für seine Schlepperdienste benutzte. Seine Bande soll zwischen 2016 und 2021 den Menschenschmuggel zwischen dem europäischen Festland und Grossbritannien kontrolliert haben.

«Ich setze niemanden in ein Boot»

Eine zweijährige internationale Polizeiaktion führte schliesslich zu Verurteilungen von 26 Mitgliedern der Bande vor Gerichten in Grossbritannien, Frankreich und Belgien. Der Skorpion entging jedoch der Verhaftung und ist seither auf der Flucht. In seiner Abwesenheit wurde er in Belgien 2022 wegen Menschenschmuggels in 121 Fällen zu einer Haftstrafe von 10 Jahren und einer Geldstrafe von rund 950’000 Franken verurteilt.

Die BBC hat Majeed nun in der irakischen Stadt Sulaymaniyah aufgespürt und zu einem Gespräch getroffen. Sie schreibt, er sehe aus wie ein wohlhabender Golfer mit neuen Kleidern und manikürten Fingernägeln. Majeed leugnet zunächst, der Chef einer kriminellen Organisation zu sein. Er sagt, verhaftete Bandenmitglieder hätten seine Rolle überhöht, um eine mildere Strafe zu erhalten. Später gibt er allerdings zu, zwischen 2016 und 2019 einer der beiden Hauptverantwortlichen für die Schleppergeschäfte in Belgien und Frankreich gewesen zu sein. In dieser Zeit habe er Millionen von Dollar verwaltet.

Auf seine Verantwortung für den Tod von Migranten angesprochen, wiegelt Majeed ab. Er habe nur das Geld genommen und Plätze gebucht. «Ich setze niemanden in ein Boot, und ich töte niemanden.» Empathie mit den Migranten scheint Majeed keine zu haben. «Gott schreibt auf, wann du sterben wirst, aber manchmal ist es deine Schuld», sagt er. «Gott sagt nie‚ steig ins Boot.»

Die Passliste auf dem Handy

Laut einer Quelle der BBC soll Majeed mittlerweile in den Menschenschmuggel über das Mittelmeer involviert sein. Bis zu 100 Männer, Frauen und Kinder werden dabei auf Schiffe gepfercht, die nur für etwa zwölf Personen zugelassen sind. Diese werden oft von Schmugglern gesteuert, die keine Erfahrung als Skipper haben und gefährliche Routen wählen, um Patrouillen der Küstenwache zu umgehen. Laut der BBC zahlt jeder Passagier etwa 10’000 Franken für einen Platz auf einem dieser Boote. In den letzten 10 Jahren sollen mehr als 720’000 Menschen versucht haben, über das östliche Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Davon starben fast 2500, die meisten durch Ertrinken.

Majeed dementiert, immer noch als Menschenschmuggler zu arbeiten. Die Journalisten sehen auf seinem Handy aber Listen mit Passnummern. Schlepper leiten diese an bestochene irakische Beamte weiter. Daraufhin werden falsche Visa ausgestellt, um Migranten die Einreise in die Türkei zu ermöglichen.

Die belgische Staatsanwältin Ann Lukowiak, die an der Verurteilung von Majeed beteiligt war, hofft, dass er eines Tages aus dem Irak ausgeliefert wird. «Für uns ist es wichtig, das Signal gesetzt zu haben, dass man nicht machen kann, was man will», sagt sie über das vor zwei Jahren gefällte Urteil. Seither übt sie sich in Geduld – und Optimismus. «Wir werden ihn zu Fall bringen.»

nlu