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Gastbeitrag Ein Vorschlag zur Reparatur unseres Gesundheitssystems

Das Zürcher Kinderspital (im Bild das neu gebaute Forschungszentrum der Architekten Herzog und de Meuron) ist eines der vielen Spitäler, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken.

Im Jahr 2023 sind viele Spitäler in eine finanzielle Schieflage geraten und benötigen Unterstützung. Die Liste wird täglich länger. Tatsächlich gilt es, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen: Das einst überaus erfolgreiche System der Gesundheitsversorgung steht einer Wand gegenüber – will man nicht gänzlich dagegen fahren, empfiehlt sich eine Richtungsänderung. 

Zurzeit sind die Medien voll von Interviews mit Politikern und Experten, die alle wissen, was zu tun ist. Scheint es. Was auffällt: Viel wird über Kosten, wenig über Medizin gesprochen. Die kolportierten Lösungsansätze lauten: Reformunfähige Akteure brauchen Kostenbremsen, die Tarife sind zu erhöhen, es gibt zu viele Spitäler, mehr Ambulantisierung. Jeder Ansatz bleibt aber unbefriedigend. Warum? Wir haben es mit einem System zu tun, das prinzipiell auf Steigerung angelegt ist. Drei Beispiele: 

  1. Die Medizin kann immer mehr. Der enorm erfolgreiche Apparat der medizinischen Forschung läuft und läuft. Das vergrössert die Möglichkeiten – und verteuert alles. 

  2. Als Patientinnen und Patienten wollen wir das. Und wir reagieren auf diese gesteigerten Möglichkeiten – mit gesteigerten Ansprüchen, auch als Gegenleistung für unsere Prämien. Zudem geht es um Sicherheit, denn medizinischer Fortschritt war schon immer getrieben vom Wunsch nach Sicherheit in einer unsicheren Welt. Und diese Welt wird nicht sicherer.

  3. Das Gesundheitspersonal ist weniger denn je gewillt, unpassende Arbeitsverhältnisse zu akzeptieren, und verlässt in Scharen das Gesundheitssystem. 

Leistungskraft, die mutlos macht

Die dem System inhärente Steigerungsdynamik ist nicht zu stoppen – ausser die Wand tut es. Weder Appelle noch Massnahmen zur Erziehung der Bevölkerung werden etwas ausrichten. Möglicherweise liegt hier eine Erklärung, warum so viele über Kosten und so wenige über Medizin sprechen. Die Leistungskraft der Medizin könnte Reformer fast mutlos machen. 

Mit der Einführung der sogenannten DRG-Pauschalen sind die Spitäler betriebswirtschaftliche Einheiten geworden, die sich selbst optimieren müssen. Die Spitäler lösten das Problem zunächst durch Wachstum. Mittlerweile sind Effizienzsteigerungen in den Vordergrund gerückt. Nun zeigt sich, dass es unter den herrschenden Vergütungsbedingungen nur ein halbwegs funktionierendes Geschäftsmodell gibt: möglichst viele Privatpatienten möglichst stationär behandeln und möglichst viele ertragsstarke (komplexe) DRG-Pauschalen verrechnen. Aber das ist nicht zukunftsfähig und gelingt nicht mal mehr den Privatspitälern. 

Damit haben wir folgendes Paradox: Ein superleistungsfähiges, expansives System soll «eingebremst» werden. Ein wenig  Vergütungsreform wird dafür nicht ausreichen. Offensichtlich ist darüber zu «streiten», was zu tun ist. Und dieser Streit wäre neu zu organisieren, denn in bisheriger Form brachte er wenig zählbare Erfolge. Um etwas Fantasie ins Spiel zu bringen: warum nicht einen «Schweizer Gesundheitskongress» lancieren, der die Akteure des Systems versammelt und zu Vereinbarungen verpflichtet. Das Format dieses «Kongresses» wäre sorgsam zu wählen. Ohne Zweifel ist das eine wagemutige Idee, aber wie heisst es so schön: Wer wagt, gewinnt.

Marcel Zwahlen ist Medizinprofessor an der Universität Bern; Christof Schmitz, Peter Berchtold und Christina Venzin sind im Medizinmanagement tätig.