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Zugreise: Glacier Pullman ExpressStilvoller kommt man nicht von St. Moritz nach Zermatt

Die Waggons des Glacier Pullman Express stammen aus dem Jahr 1931 – der Landwasserviadukt in der Nähe des Bahnhofs Filisur ist sogar noch 30 Jahre älter.

Und dann kommt es tatsächlich, das Krokodil. Jonathan Huber muss sich kurz die Brille putzen, um kein Detail zu verpassen, während die braune Ge 6/6 I-Lok mit der Nummer 415 und gelb leuchtenden «Augen» bei Reichenau-Tamins um die Kurve stampft. Der 23-Jährige strahlt übers ganze Gesicht. Schliesslich ist dieses Rhätische Krokodil, wie die Lok unter Eisenbahnfreunden genannt wird, eine wahre Rarität. Es gibt nur noch eine zweite dieses Modells, die Nummer 414, beide aus dem Jahr 1929. 

So geht es noch einigen Reisenden auf Gleis 2, die freudig an einem Cüpli nippen und der Einfahrt der historischen Lok zusehen. Sie gehören zur Gruppe, die am Morgen in Begleitung einer Reiseleiterin in St. Moritz über den roten Teppich in die nostalgischen Glacier-Pullman-Express-Wagen gestiegen ist und nun mit dem «langsamsten Schnellzug der Welt» Richtung Zermatt tuckert. Ein zweitägiges Erlebnis, das auch kulturelle Leckerbissen neben der Schiene bietet und deshalb nicht nur Eisenbahnfreaks anspricht. Zum Beispiel Helene Graf aus der Innerschweiz, die die Reise auf ihren 60. Geburtstag von ihrer Familie geschenkt bekommen hat. «Mich interessiert die Technik nicht so sehr», gibt sie zu, «aber es ist schon etwas Besonderes, mit diesem nostalgischen Zug zu reisen.» 

Irgendwie sieht sie freundlich aus, diese Krokodil-Lok. Kein Wunder, macht sie Zugfans happy (und manchmal auch Normalos).

Nicht nur die legendäre Lok hat ihr Herzflattern beschert. Auch die Original-Pullman-Wagen aus dem Jahr 1931, die ein Stück Eisenbahngeschichte verkörpern. Hübsch die bequemen Fauteuils mit dem bunten Muster. Und die Erkerfenster und zierlichen Fenstertische – richtig chic. Erst recht die kunstvollen Intarsien von René Prou, dem legendären französischen Kunsttischler, der auch den Speisesaal im Hotel Waldorf Astoria in New York gestaltete. 

All das begann einst damit, dass George Mortimer Pullman 1853 eine schlaflose Nacht in einem engen, unbequemen und erst noch langsamen Zug verbrachte – eine ganze Nacht, um 90 Kilometer zurückzulegen. Skandalös, fand Pullman – und beschloss, die Kultur des luxuriösen Eisenbahnreisens in Europa einzuführen und die «Cie. Int. des Wagons-Lits et Grands Express Européens» zu gründen. Und tatsächlich verkehrten 1873 die ersten Schlafwagen von Ostende nach Köln und Berlin sowie von Paris nach Berlin. So richtig luxuriös wurde das Reisen mit den ab 1926 eingeführten Pullman-Wagen. 

Pullmans Unternehmen baute 1931 auch Wagen für die meterspurige MOB (Montreux-Berner-Oberland-Bahn) von Montreux nach Zweisimmen. Doch der Zug war kein Erfolg und fuhr nur gerade einen Sommer lang. 1939 übernahm die Rhätische Bahn (RhB) die Wagen und setzte sie unter dem Begriff «Salonwagen» auf ihrem Netz ein.

Ende der 1990er standen die einzigen Original-Pullman-Wagen kurz vor der Verschrottung. Dank einer Sammelaktion, bei der rund eine Million Franken zusammenkam, konnten sie originalgetreu restauriert werden. Heute sind sie der Stolz der RhB und werden bei vielen offiziellen Anlässen eingesetzt. Seit 2006 bietet auch der Pullman Club exklusive Reisen damit an, wie diese von St. Moritz nach Zermatt oder umgekehrt.

Blick zurück ins Jahr 1947: Die Ge 4/4 602 ist bei ihrer ersten Fahrt im Unterengadin in Scuol/Schuls-Tarasp angekommen. Die Verantwortlichen stehen stolz neben der Komposition aus Salonwagen.

Kein Wunder, tauchen gefühlt an jeder Ecke Trainspotter auf mit gezückter Kamera oder Smartphone. Wir kommen uns ein bisschen vor wie Königin Silvia von Schweden oder General Guisan, die ebenfalls schon in diesen Wagen durch Graubünden fuhren. Und: Obwohl die Pullman-Wagen zwischen St. Moritz und Thusis am normalen Zug angehängt wurden, hat man das Gefühl, er fahre viel langsamer. Obs allein am heimeligen Knacken des Holzes liegt oder daran, dass man in diesem Ambiente automatisch einen Gang runterfährt?

Bereits in Thusis wartet auf dieser Eisenbahn-Kreuzfahrt der erste kulturelle Zwischenstopp. Mit einem historischen Postauto gehts nach Zillis – zur Kirche St. Martin mit der ältesten erhaltenen figürlich bemalten Hochdecke Europas aus dem Jahr 1114. Früher wurde die Kirche nicht allein deswegen besucht, sondern auch, weil man um Segen bat, um heil durch die nahe gelegene Viamala zu kommen.

Das schaffen wir bestens und sitzen schon bald im Gourmino-Speisewagen Richtung Disentis, wo Cheffe de Service Corinne Hardegger einen Sommersalat mit Capuns Sursilvans serviert. Natürlich alles stilecht samt hübsch illustrierter Speisekarte. Habitués freuen sich vor allem auf den Verdauungs-Grappa, denn diesen schenkt die Cheffe de Service ziemlich spektakulär von grosser Höhe ins Glas, ohne auch nur einen Tropfen zu vergiessen. Fast vergisst man dabei, einen Blick aus dem Fenster zu werfen und die eindrückliche Ruinaulta mit ihren bis zu 400 Metern tiefen Steilwänden zu betrachten.

Stilvoll bis zur Stoffserviette: Der Speisewagen Gourmino stammt aus den 1930ern.

Während unsere Reisegruppe in Disentis das Benediktinerkloster besucht, wo Pater Theo über dessen wechselvolle Geschichte berichtet, werden die Loks getauscht. Eine rote HGe 4/4 I der Matterhorn-Gotthard-Bahn zieht den Zug anschliessend über den Oberalppass nach Andermatt. Nieselregen und Nebelschwaden tauchen die Landschaft in eine geradezu mystische Welt. Es hat etwas Unwirkliches. Vor allem der Leuchtturm, der auf dem Oberalp steht, der einzige Leuchtturm in den Alpen, und das auf 2046 Metern über Meer! 

Ein bisschen wie im Wilden Westen fühlen wir uns am nächsten Tag, als wir nach der Übernachtung in Andermatt in Realp beim Bahnhof DFB in die Furka-Bahn steigen. Es raucht und dampft aus den Lok-Kaminen. Vorne im Führerstand der HG 4/4 704 aus dem Jahr 1923 steht der Heizer schon mit Béret auf dem Kopf und Stumpen im Mund bereit. Er schaufelt mit kräftigen Armen nochmals Kohle in den Ofen – und schon gehts mit lautem Tuten los. Nach fast dreissigjährigem Unterbruch wurde der durchgehende Betrieb zwischen Realp und Oberwald am 12. August 2010 wieder aufgenommen. Über 7000 Freiwillige aus ganz Europa arbeiteten im Frondienst am Wiederaufbau der Furka-Bergstrecke. 

Kein Job für Schwachmaten: Heizer in der Furka-Bahn.
Die Lok der Furka-Bahn ist ein richtiges Prachtstück.

Mein Mitreisender Peer Künstler, trotz seines Namens im «richtigen» Leben Informatiker bei einer Bank, reckt seinen Kopf aus dem Fenster. «Was für ein schönes Bild», schwärmt er und meint damit die Rauchfahnen, die aus dem Tunnel schweben. Eisenbahnen faszinieren Peer seit der Kindheit. «Ich habe manche Modelleisenbahn zerspielt, bis sie nicht mehr zu reparieren war», erzählt er lachend. 

Schon bald passieren wir die Steffenbachbrücke, die jeweils im Winter demontiert wird, um Schäden durch Lawinen vorzubeugen. Auf dem Furka-Pass auf 2160 m ü. M. gibt es einen Zwischenhalt, denn hier muss die Lok mittels einer Drehscheibe von Hand gewendet und ihr Tank mit Wasser aufgefüllt werden. «Sonst könnte es passieren, dass der Kessel überhitzt und es zu einem Knall kommt», erklärt der Zugchef. 

Sind wir in den schottischen Highlands? Nö: Neblig-mystisch kanns auch auf dem Furkapass werden.
Die Reise hat immer wieder kleine Spektakel zu bieten. Auf dem Furkapass wird Wasser nachgefüllt.

Während wir mit Volldampf vorbei am schwindenden Rhone-Gletscher Richtung Wallis fahren, ist der Pullman-Express unten durch den Furka-Basistunnel gefahren und steht in Oberwald schon für uns bereit. Im Führerstand stehen Roland Valentin und Gustav Lilja. Letzterer gar zum ersten Mal! Er macht eine Ausbildung zum Lokführer und lernt auf dieser historischen Lok. «Das ist ein absolutes Highlight für mich», meint er nur kurz und schaut wieder konzentriert auf das Schaltpult. «Bei dieser Lok muss man gut vorausdenken, weil sie keinen Tempomaten hat», erklärt Valentin, der Instruktor. Fahren könne sie jeder, aber bremsen sei viel schwieriger, meint er lachend. Zum Glück hat das Gustav Lilja perfekt im Griff, und wir treffen in Fiesch für einen nächsten Zwischenhalt ein und machen einen Abstecher aufs Eggishorn.

Blick in den Führerstand der Lok von Oberwald nach Zermatt.

Und dann – kurz nach Visp, als der Glacier Pullman Express ins Mattertal einbiegt – kommt Peer Künstlers grosser Moment. Während wir anderen den ereignisreichen Tag bei einem Drink im Piano-Bar-Wagen ausklingen lassen, darf er zum Lokführer in den Führerstand und ihm über die Schulter schauen. Viele Worte braucht er nicht auf die Frage, was ihm das bedeutet. Sein Strahlen sagt alles. Gut möglich, dass er in Zermatt eine Freudenträne aus dem Gesicht wischt.

Die Recherchereise für diesen Artikel wurde unterstützt von Glacier Pullman Express.

Nächste Fahrten mit dem Glacier Pullman Express: von St. Moritz nach Zermatt, 21./22. Juni, 20./21. September; von Zermatt nach St. Moritz, 23./24. Juni, 22./23. September. Preise ab 1340 Fr. pro Person. Der Preis beinhaltet Zugfahrt, eine Übernachtung in Andermatt (ab 3-Stern- bis 5-Stern-Hotel), alle Exkursionen (Zillis, Disentis, Eggishorn), Verpflegung und Transfers. An- und Abreise von St. Moritz / Zermatt nicht inbegriffen. Weitere Informationen: pullmanclub.com.